Die Überwindung der Teilung und die Vereinigung der beiden deutschen Staaten sind glückliche Momente in unserer Geschichte. Damals ging ein Wunsch der Menschen in Erfüllung. Für die Generation, die seitdem heranwuchs, ist ein Leben in Freiheit und Demokratie selbstverständlich 1989/90 wurde ein neues Kapitel der Geschichte aufgeschlagen. Der Fall der Mauer war unblutig und geschah im Einvernehmen mit den Nachbarn. Alles, was die Nachkriegsepoche ausmachte – die Teilung, der Kalte Krieg, die grausame Grenze – war 1990 zu Ende. Vielen boten sich neue Chancen. Unser Land veränderte sein Gesicht und bekam politisches Gewicht.

Die Ereignisse von 1989/90 haben alle bewegt – mehr als die Feiern zum Tag der Deutschen Einheit in den 25 Jahren danach. Das liegt daran, daß der 3. Oktober zum Feiertag bestimmt wurde, mit dem formal nur der Beitritt nach Artikel 23 Grundgesetz stattfand. Die entscheidenden Momente hatten vor Oktober 1990 stattgefunden. Über Monate waren DDR-Bürger 1989 für ihre Forderungen auf die Straße gegangen oder stimmten mit den Füßen ab – Richtung Westen. Sie zeigten Courage und waren entschlossen, die Verhältnisse zu ändern. Ihre Revolution blieb friedlich. Doch hatte es nicht auf Messers Schneide gestanden, ob die DDR-Machthaber dem massenhaften Protest der Bürger mit Gewalt begegnen würden?

Den Protesten folgte die Öffnung der Mauer. Die DDR war am Ende, alles lief auf die deutsche Einheit hin (an der die Union stets festgehalten hatte). Der Umbruch erfaßte damals nicht nur die DDR, sondern auch die anderen Staaten des „Ostblocks“, wo Revolutionen zu Demokratie und Marktwirtschaft führten und in der Folge in die Europäische Union. Diesen Kontext darf man keinesfalls vergessen, auch wenn die EU Schwächen zeigt. Die europäischen Staaten sind nach wie vor aufeinander angewiesen. Deutschland hat viel von der Entwicklung der letzten 20 Jahre profitiert. Und doch: Solidarität in der EU ist keine Einbahnstraße. Gemeinsamkeit zu entwickeln ist schwieriger, als man denkt.

Für historische Entwicklungen sind 25 Jahre eine kurze Zeit. Für die Menschen, die den Umbruch gestalteten oder erlebten, machen 25 Jahre einen beträchtlichen Teil ihres Lebens aus. Die diktatorische DDR hat den Einzelnen bespitzelt, drangsaliert oder auf dem Weg in die Freiheit getötet. Viele Menschen haben gelitten, aber es gab in der DDR auch einen Alltag. Wenn sich Ostdeutsche heute daran erinnern, bedeutet das nicht, daß sie sich die DDR zurückwünschten. Entschieden gilt es allerdings, Versuchen entgegenzutreten, das kommunistische System zu beschönigen. Wenn wir uns heute der Wiedervereinigung Deutschlands erinnern, sind wir dankbar, daß nach Weltkrieg und Nazi-Barbarei mit Hilfe der westlichen Alliierten eine stabile Demokratie entstand, in der Freiheit und Menschenrechte gelten. Wir sind froh über die demokratischen Traditionen in unserem Lande. Das Ringen um Freiheit und Recht hat auch unsere Geschichte bestimmt. Menschen waren bereit, für eine bessere Gesellschaft einzutreten. Wer fragt, ob die Demokratie geeignet sei, große Probleme zu lösen, kennt keine Diktatur oder hat die dunklen Kapitel der Geschichte vergessen. Damit Demokratie funktioniert, muß sie gelebt werden. Die Chancen, die eine demokratische Verfassung bietet, wollen genutzt sein. Die Erinnerung an die damaligen Ereignisse macht uns bewußt, daß wir allen Grund zur Freude haben. Was die Menschen 1989/90 zusammen errungen haben, kann uns Kraft und Zuversicht für morgen verleihen.